Sowohl Wissenschaftler als auch als auch die meisten PR-Praktiker, die sich mit Weblogs und Unternehmenskommunikation auseinandersetzen, konstatieren eine gewisse Macht der Blogger und deren Einfluss auf den öffentlichen Meinungsbildungsprozess.
Dr. Mark Eisenegger, der sich mit Issues Management schon länger beschäftigt, sieht dies anders. Seiner Meinung (PDF) nach werden Weblogs im öffentlichen Meinungsbildungsprozess aus verschiedenen Gründen überschätzt. Hier seine Thesen und jeweils meine Anmerkungen dazu:
1. Weblogs zielen auf Meinungsartikulation und nicht auf Themensetzung (Agenda Setting) ab.
Er zitiert Luhmann: „Themen, nicht Meinungen, haben in der Kommunikation vorrangige Bedeutung.“ und meint, dass sich Weblogs primär an die Themen der klassischen Medien halten. Die Agenda-Setting-Funktion von Weblogs sei eingeschränkt.
Ja, in Weblogs werden Meinungen zu Themen aus klassischen Medien geäußert, doch nicht ausschließlich. Auch wenn die Kommunikationsrationalität von Weblogs nicht dezidiert auf Themensetzung ausgerichtet ist, können innerhalb der Blogosphäre Themen entstehen, die in die öffentliche Wahrnehmung diffundieren.
2. Allein durch die Masse haben Weblogs noch keine Relevanz für den öffentlichen Kommunikationsprozess.
Nach seiner Ansicht verknappt sich die Aufmerksamkeit der Rezipienten mit der zunehmenden Anzahl von Weblogs und konzentriert sich auf wenige A-Blogger oder Meinungsführer-Blogs. Auch stellt Eisenegger die These auf, dass diese „reputierten Blogger (…) häufig eine institutionalisierte Anbindung an den etablierten Journalismus aufweisen.“
Ja, die Aufmerksamkeit ist ein Long Tail, aber interessante Themen verbreiten sich in der Blogosphäre schnell, werden dann von A-Bloggern aufgegriffen und erreichen somit auch öffentliche Aufmerksamkeit.
In den Top-20 der A-Blogger hat nur maximal ein Viertel eine Anbindung an den Journalismus aufzuweisen.
3. Weblogs haben ein Glaubwürdigkeitsproblem
Durch den fehlenden Bezug zu etablierten (Medien-)Marken könne keine positive Reputation abgeleitet werden. Darüber hinaus gäbe es viele anonyme Blogger und eine fehlende Qualitätsroutine.
Laut der größten deutschen Weblogbefragung (PDF) von Jan Schmidt geben über 70% Hinweise auf ihre Identität und über ein Drittel geben auf einer speziellen Seite persönliche Informationen an. Die persönliche Art der Kommunikation und die zumeist mit einer wirklichen Person verbundenen Informationen erzeugen – meiner Meinung nach – eher Glaubwürdigkeit beim Rezipienten. Darüber hinaus es verschiedenste Blogger bereits geschafft eine eigene Marke zu entwickeln.
4. Blog-Themen werden im traditionellen Journalismusnur nur gering wahrgenommen.
Themen aus Blogs müssten mehr in traditionellen Medien aufgegriffen werden, um relevant zu sein. Laut Eisenegger gibt es eine „Reduktion der öffentlichen Aufmerksamkeit auf die immergleichen Fallbeispiele effektiver Blog-Kommunikation.“
Ja, die meisten in Blogs diskutierten Themen verlassen die Blogosphäre nicht. Mit der stetigen Zunahme der Anzahl der Blogger und Blog-Leser steigt aber auch die öffentliche Wahrnehmung. Es gibt auch bereits eine Reihe von Beispielen, wo Themen, die in Blogs aufgekommen sind, in klassischen Medien aufgegriffen wurden. Durch die zunehmende Verzahnung von Blogs und klassischen Medien (siehe z.B. AP) erhalten Blogs zusätzliche Aufmerksamkeit.
5. Die Vernetzungsfunktion von Weblogs wird überschätzt.
Empirisch könne eine effektive Informations- und Issue-diffusion nicht nachgewiesen werden.
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6. Die Dialogkommunikation durch Blogs kann negative Folgen haben.
Probleme der Blog-Dialogkommunikation können das Risiko unkontrollierbarer Komplexitätssteigerung der Organisationskommunikation haben.
Ja, durch Blogs zu kommunizieren kann eine personelle Herausforderung für Unternehmen sein, aber auch eine Form der Marktforschung. Hier muss abgewogen werden, ob sich der zeitliche Aufwand lohnt und ob das Feedback der Stakeholder effektiv genutzt werden kann oder nicht.
Und wie ist Ihre Meinung?
Erliegen PR- und Blog-Berater sowie Wissenschaftler dem Hype? Haben Weblogs einen Einfluss auf die Bildung der öffentlichen Meinung? Oder werden Blogs einfach nur überschätzt?