Dies ist eine Auseinandersetzung mit den Themen Issues, Issues Management und Blogs. Unter Issues Management ist „ein systematisches und strukturiertes Verfahren der Identifikation, Analyse und strategischen Beeinflussung von öffentlich relevanten Themen bzw. Erwartungen von Stakeholdern“ zu verstehen (Rötter, PDF).
Der klassische Issue-Lebenszyklus
Unternehmenskritische Themen-Karrieren werden mit dem Issue-Lebenszyklus beschreiben.
Im zeitlichen Verlauf werden hier die öffentliche Aufmerksamkeit, der Handlungsspielraum des Unternehmens und die Kosten für das Unternehmen idealtypisch im Bezug auf das Issue dargestellt. (Darstellung nach Liebl):
Zu sehen ist, dass die Aufmerksamkeit exponentiell ansteigt, einen Höhepunkt erreicht, wieder abnimmt, doch auf einem bestimmten Level (vorerst) bleibt. Für Unternehmen nimmt der Handlungsspielraum – also der Einfluss auf den Verlauf eines Issues – von Beginn der öffentlichen Thematisierung sehr schnell ab, wobei die Kosten für die Bewältigung sehr stark ansteigen.
Der Issue-Verlauf in der Blogosphäre
Dies ist der Verlauf des Issues „Transparency International“ in der Blogosphäre gemessen mit technorati an Blog-Beiträgen, die „Transparency International“ enthalten:
Ich denke, dass dieser Verlauf typisch für Entwicklungen von populären Themen in der Blogosphäre ist. Die Anzahl der Beiträge steigt schnell und stark, jedoch wird das Thema auch sehr schnell wieder fallen gelassen.
Klassischer Issue-Lebenszyklus und Issues in der Blogosphäre
Nach Liebls Auffassung folgen die wenigsten Issues dem gezeigten idealtypischen Verlauf, doch stelle ich die These auf, dass populäre Issues in der Blogosphäre diesen Gesetzmäßigkeiten zumeist folgen.
Wendet man nun die Grafik von Liebl auf den Verlauf des Issues „Transparency International“ an, sieht das so aus:
Aufmerksamkeit in der Blogosphäre
Die öffentliche Aufmerksamkeit wird nicht nur durch die Blog-Beiträge erzeugt, sondern auch und vor allem durch die Blog-Leser.
- Aufmerksamkeit in der Blogosphäre = Blog-Beiträge + Blog-Leser
Wird ein Blog-Beitrag veröffentlicht, wird er zunächst von den regelmäßigen Besuchern gelesen und in den Kommentaren diskutiert – dies geschieht allerdings mit einer gewissen Zeitverzögerung.
Auch langfristig tragen Blogs zu der Aufmerksamkeit eines Themas bei. Durch die gute Sichtbarkeit in Suchmaschinen (Erklärung hier) werden Blog-Beiträge gut gefunden und dadurch auch von Internet-Usern gelesen, die keine regelmäßigen Blog-Leser sind. Beispielsweise findet man unter den ersten zehn Google-Ergebnissen bei dem Suchbegriff „Transparency International“ momentan sechs Beiträge aus Blogs oder über den Vorfall.
Offene Fragen
Es bleibt zu untersuchen, ob es in Blogs auch „schwache Signale“ gibt, die in der Vor-Krisen-Phase erkannt werden können, oder ob die Signale von Unternehmen selbst zu verantworten sind – also die Unternehmen selbst die Auslöser sind.
Auch wenn der Verlauf von Issues in der Blogosphäre dem gezeigten Modell folgt, bleibt zu beantworten, welche Faktoren den Verlauf der Themen-Karriere beeinflussen, um den Verlauf prognostizieren oder gar beeinflussen zu können.
Interessant ist in diesem Punkt aus der Perspektive von Unternehmen ja wesentlich mehr:
1. Gibt es die von Dir erwähnten schwachen Signale bzw. gibt es Individuen die „early adopter“ oder „trend barometer“ sind. dh gibt es Personen im Netzwerk die durch ihre Position die „Macht“ haben solche Themen erst richtig publik machen (Stichwort: Wie gross ist der Einfluss der A-List)?
2. Gibt es zwischen der Wahrnehmung dieser schwachen Signale und dem „Ausbrechen“ der Krise eine Möglichkeit zu reagieren und wenn ja, wie lange besteht diese (also bis wann nützt es noch am „Ausbruchsort“ zu kommentieren bevor sich das Thema verselbstständigt) und wie findet ein solches Bewältigen der Krise statt?
3. Wie entwickelt sich der Handlungsspielraum des Unternehmens überhaupt, nimmt er ab (Vermutung: ja), wie schnell (Vermutung: sehr schnell), ist es ein linearer oder zumindest stetiger Verlauf oder gibt es Sprungstellen (Vermutung: Sprungstellen)?
4. Welche Möglichkeit besteht für Unternehmen diese Sphäre positiv zu beeinflussen bzw. besteht diese Möglichkeit überhaupt im Sinne eines aktiven Issues Management?
Meine Vermutung ist, dass man sowohl in der Netzwerktheorie (Epidemien, virale Verbreitung) als auch in der Innovationstheorie (wie verbreiten sich Innovationen) interessante Anhaltspunkte findet.
So interessant wie ich Deinen Beitrag gefunden habe, so sehr entgeht meiner Aufmerksamkeit die Trackback-URL. Gibt es die bei Dir und wenn ja wo?
Die beiden TBs lassen ja darauf schliessen, oder?
Was ja noch viel interessanter wird als die Beherrschung des Themas „Issue Mgmt.“ an sich, ist ja, dass hier die Möglichkeit zu einer neuen Black-Hat-Profession entsteht (ähnlich den Suchmaschinenoptimierern, die Websites der Konkurrenz aus Google kegeln):
„Ich sorge dafür, dass die Meute der Blogger über deinen liebsten Konkurrenten herfällt, und nehme Geld dafür.“
Bei den Beißreflexen, die sich die Gemeinde mittlerweile selbst anerzogen hat, dürfte das ein relativ einfache Übung in Social Engineering sein. Noch dazu, wo ja die Prüfung von Behauptungen über vermeintlich „böse“ Aktionen von Rechtsvertretern und großen Unternehmen selten auf dem Aktionsplan der berichtenden Blogger steht, also jede halbwegs glaubwürdige Unterstellung ein kleine Welle auslösen kann.
Hallo Olaf, wir haben vor einer Weile mit dem PR-Wiki einen Umzug gemacht. Der Vortrag von Ulrike Röttger ist nun hier: http://www.pr-wiki.de/uploads/Main/Im_Roettger_140705.pdf